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So was gibt es noch Lyrics

Nach acht Jahren Schule konfirmiert, stand ich da mit meinem Zeugnis: Zeichnen, Singen, Religion gut.Mutter wollte gern, dass ich Schriftsetzer würde wie mein Opa, war aber nichts zu machen: zu viele Bewerber mit Abitur Vater war mehr für Maurer oder Tischler. Aber ich, klein und blass vom vielen Lesen jede Nacht, heimlich bei Kerzenlicht, Gedanken immer woanders und dann auf dem Bau, das ging eben nicht. Doch ich bekam eine Lehrstelle in einem Schuhgeschäft als Schaufenstergestalter.

Das ist doch ewig lange her,
ist vergessen, das war mal,
das gibt's heut nicht mehr.
So sollte man meinen und doch:
So was gibt es noch.
So was gibt es noch.
Erstes Schuljahr: vierzig Mark im Monat. Tagesablauf wie folgt: morgens um sieben zum Bus. Brote, Henkelmann in der Aktentasche und Ermahnungen: »Ernst des Lebens - Lehrjahre sind keine ...« und so weiter. Dann in der Firma Pampelmusen, Teebeutel, Joghurt einkaufen für die Kollegen zum Frühstück. Dann Ware auspacken, ins Lager einräumen, Etiketten kleben, dann Glühbiernen auswechseln - Mittagspause. Dann in den Schaufenstern Schuhe, Glasplatten abstauben, dann in den Keller, Arbeitsstiefel fetten. Neunzehn Uhr - Feierabend.
Das ist doch ewig lange her ...

Zweites Lehrjahr, 60 Mark im Monat, Tagesablauf genau wie im ersten. Nur alle vierzehn Tage Nachtarbeit. Dafür durften wir abends warm essen, auf Geschäftskosten. Ich bekam das erste Steak meines Lebens mit vierzehn. Einmal setzte sich der Chef zu uns und bestellte sich ein Mettbrötchen und erzählte, wie er angefangen hat mit einem Bauchladen, Schürsenkel. Durch Fleiß und Sparsamkeit heute Besitzer einer Ladenkette, Präsident des deutschen Schuheinzelhandels. Mein erstes Steak - ich hb es wieder ausgekotzt.

Das ist doch ewig lange her ...

Drittes Lehrjahr, 80 Mark im Monat, Tagesablauf wie gehabt. Hinzu kam das Bedienen der Kunden in Stoßzeiten, dann die Verwaltung des Gummistiefellagers, Aufblasen von Reklameluftballons und wachsender Unmut unter uns Lehrlingen. Gewerkschaften kannten wir nicht, aber trotzdem wurde ein Sprecher gewählt, und das ist in so einem Fall immer der Naivste oder Mutigste. Ich war beides, also sprach ich. Ergebnis: Ich bekam das Filzpantoffellager noch hinzu, durfte am Betriebsausflug nicht teilnehmen, und die Kollegen schnitten mich.

Das ist doch ewig lange her ...

Ende der Lehrzeit: was hatte ich eigentlich gelernt - so gut wie gar nichts. Dann die Prüfung, alle wussten, ich würde durchfallen, aber ich bestand. Freisprechung mit allem Drum und Dran, Streichquartett, Reden, Kaufmannsgehilfenbrief, Glückwünsche. Nur die Geschäftsleitung war sauer. Und warum? Sie hätte mich gern durchfallen sehen, um mich als billige Arbeitskraft noch ein Jahr länger behalten zu können. Nun, drei weitere Jahre habe ich das noch mitgemacht, bevor ich mich traute zu sagen: Das ist nicht mein Leben.
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