Bevor du sterbst
von Otto Reutter
Vortext
Im Variete und im Cabaret
da bringt man beinah` jetzt in jedem Couplet
dieselben Themen - dieselbe Idee.
Auch ich mach`s nicht anders, wenn ich hier steh`.
Man singt von der Liebe, der Weiblichkeit -
glossiert die Modelaunen der Zeit,
schimpft auf die andern, damit Sie lachen,
denn tadeln ist leichter als besser machen.
Man spottet über Pantoffelritter,
beklagt das eigene Schicksal bitter.
Man singt von den Steuern in unserm Land,
von anderer Länder Valutastand.
Man geißelt die Bosheit der Menschen sehr;
man wundert sich über gar nichts mehr.
Kurz, man singt stets nach dem selben Schema;
drum wähle ich jetzt mal ein anderes Thema -
sing` nichts vom Leben, das bald verrinnt
und das an Ärger reich ist für Jeden.
Nein, weil wir so fröhlich beisammen sind,
woll`n wir mal `n bisschen vom - Sterben reden.
Jawohl, vom Sterben - erschreckt Sie das sehr?
Sie meinen, das Thema passt nicht hierher?
Dann müssen wir`s eben schmackhaft machen -
der Tod soll nicht uns - wir woll`n ihn verlachen.
Was ist denn das Leben? `ne Urlaubszeit -
genommen von der Ewigkeit.
Ein Traum, etwas Freude und sehr viel Not -
das Leben ist schon der Anfang vom Tod -
denn sobald wir leben, komm`n wir ihm näher -
also müssen wir denken: So komm doch her!
Ich gebe zwar zu, dass es uns nicht frommt,
dass der Tod grad` am Ende des Lebens kommt -
man sieht ihm ständig entgegen mit Beben
Der Tod ist so`n schlechter Abschluss vom Leben.
Es wäre viel schöner sicherlich:
erst sterben - dann hätte man`s hinter sich -
und nachher leben, dass wäre fein!
Aber da denken wir: Es kann wohl nicht sein.
Wir können ihm nicht aus dem Wege gehn -
also muss man dem Feinde ins Auge sehn.
Dann kriegt er `n Schreck, wenn man ihn verlacht -
denn er ist feige - meist kommt er bei Nacht.
Gefällt uns das Leben denn heut` so sehr?
Das Sterben ist leicht, das Leben ist schwer.
Der Tod ist `ne Brennessel, die uns sticht -
aber packt man ihn fest an, dann sticht er nicht.
Wenn er kommt, dann sage man freundschaftlich:
"Da sind Sie ja schon, bitte setzen Sie sich."
Dann wird er verlegen und sagt beklommen:
"Na, wenn ich störe, kann ich ja wiederkommen" -
und dann geht er los auf andere wie Blücher.
Aber kommen tut er mal, das ist todsicher -
und weil er kommt, da muss man beizeiten -
sich, auf sein Kommen gut vorbereiten.
Jetzt sind wir verschieden - arm und reich -
aber wenn wir "verschieden" sind, sind wir gleich.
Drum, gibt es verschiedene Regeln fürs Leben -
muss es auch eine Regel fürs Sterben geben.
Man muss allerdings wissen, wann es so weit -
aber da kommen wir noch hin - in einiger Zeit.
Nun denke Dir mal, liebes Publikum,
Du wüsstest, wann Deine Tage um.
Die Regeln, die Du jetzt von mir erbst,
befolge dann pünktlich, Bevor Du sterbst.
von Otto Reutter
Vortext
Im Variete und im Cabaret
da bringt man beinah` jetzt in jedem Couplet
dieselben Themen - dieselbe Idee.
Auch ich mach`s nicht anders, wenn ich hier steh`.
Man singt von der Liebe, der Weiblichkeit -
glossiert die Modelaunen der Zeit,
schimpft auf die andern, damit Sie lachen,
denn tadeln ist leichter als besser machen.
Man spottet über Pantoffelritter,
beklagt das eigene Schicksal bitter.
Man singt von den Steuern in unserm Land,
von anderer Länder Valutastand.
Man geißelt die Bosheit der Menschen sehr;
man wundert sich über gar nichts mehr.
Kurz, man singt stets nach dem selben Schema;
drum wähle ich jetzt mal ein anderes Thema -
sing` nichts vom Leben, das bald verrinnt
und das an Ärger reich ist für Jeden.
Nein, weil wir so fröhlich beisammen sind,
woll`n wir mal `n bisschen vom - Sterben reden.
Jawohl, vom Sterben - erschreckt Sie das sehr?
Sie meinen, das Thema passt nicht hierher?
Dann müssen wir`s eben schmackhaft machen -
der Tod soll nicht uns - wir woll`n ihn verlachen.
Was ist denn das Leben? `ne Urlaubszeit -
genommen von der Ewigkeit.
Ein Traum, etwas Freude und sehr viel Not -
das Leben ist schon der Anfang vom Tod -
denn sobald wir leben, komm`n wir ihm näher -
also müssen wir denken: So komm doch her!
Ich gebe zwar zu, dass es uns nicht frommt,
dass der Tod grad` am Ende des Lebens kommt -
man sieht ihm ständig entgegen mit Beben
Der Tod ist so`n schlechter Abschluss vom Leben.
Es wäre viel schöner sicherlich:
erst sterben - dann hätte man`s hinter sich -
und nachher leben, dass wäre fein!
Aber da denken wir: Es kann wohl nicht sein.
Wir können ihm nicht aus dem Wege gehn -
also muss man dem Feinde ins Auge sehn.
Dann kriegt er `n Schreck, wenn man ihn verlacht -
denn er ist feige - meist kommt er bei Nacht.
Gefällt uns das Leben denn heut` so sehr?
Das Sterben ist leicht, das Leben ist schwer.
Der Tod ist `ne Brennessel, die uns sticht -
aber packt man ihn fest an, dann sticht er nicht.
Wenn er kommt, dann sage man freundschaftlich:
"Da sind Sie ja schon, bitte setzen Sie sich."
Dann wird er verlegen und sagt beklommen:
"Na, wenn ich störe, kann ich ja wiederkommen" -
und dann geht er los auf andere wie Blücher.
Aber kommen tut er mal, das ist todsicher -
und weil er kommt, da muss man beizeiten -
sich, auf sein Kommen gut vorbereiten.
Jetzt sind wir verschieden - arm und reich -
aber wenn wir "verschieden" sind, sind wir gleich.
Drum, gibt es verschiedene Regeln fürs Leben -
muss es auch eine Regel fürs Sterben geben.
Man muss allerdings wissen, wann es so weit -
aber da kommen wir noch hin - in einiger Zeit.
Nun denke Dir mal, liebes Publikum,
Du wüsstest, wann Deine Tage um.
Die Regeln, die Du jetzt von mir erbst,
befolge dann pünktlich, Bevor Du sterbst.